Menschen waren für mich lange Zeit kein Thema in der Fotografie, es war die Reise- und die Landschaftsfotografie die mich auf meinen ersten Afrikareisen als Selbstfahrer faszinierten. Mit weiteren Afrikareisen erweiterte sich auch mein fotografischer Horizont und ich entdeckte meine Leidenschaft für die Wildlifefotografie. Im Laufe der Jahre durfte ich so vielen beindruckenden Menschen auf unseren Reisen begegnen, und der Wunsch diese Menschen zu fotografieren und portraitieren war geboren.
Allerdings blieb diese natürliche Scheu, Menschen zu fotografieren in mir bestehen. Erste zarte Schritte ergaben sich aus der Streetphotography im Rahmen von privaten Townshiptouren in Südafrika, Namibia und Mosambik. Unsere Guides kannten die Menschen und sie vertrauten ihm. Dies ermöglichte mir erste fotografische "Gehversuche", ohne den Sprung in das kalte Wassers des alleinigen Erstkontaktes.
Neben all der Menschen, die ich auf den Reisen auf der Straße, in Straßenshops, bei Tankstops, im kleinen Supermarkt oder in den Lodges traf und um ein Foto bat, war mein Interesse bereits seit geraumer Zeit geweckt, auch indigene Völker zu fotografieren.
Also fasste ich mir ein Herz und beschloss, auf der nächsten Reise Menschen zu fotografieren und wenn es sich anbieten würde auch zu portraitieren. Darüber hinaus plante ich die anstehende Reise so, dass sich an mehreren Orten Begegnungen mit dem indigenen Volk der San anboten. Da mich insbesondere ihre Geschichte und die Hintergründe interessierten plante ich die Herangehensweise aus dem Blickwinkel der Reportagefotografie.
Glücklicherweise bin ich auf unterschiedliche Lodges gestossen, die Begegnungen mit den San anbieten. Natürlich habe ich mir authentische Begegnungen und keine Touristenshow gewünscht. Zu dem Zeitpunkt fehlte mir noch das feine Verständnis der spontanen Gelegenheiten, wenn es um das Thema Fotografie und Mensch geht. Ich spreche ja auch von Reisen und nicht von Urlaub, analog verhält es sich mit der spontanen Fotografie von Menschen die einen kaum kennen und mit denen man sich schwer verständigen kann und der Studioportraitfotografie.
Die Planung unterschiedlicher Begegnungen mit einem indigenen Volk in einer schönen Umgebung und gutem Licht verleiht dem Wunsch eine weitere Dimension. Theoretisch betrachtet handelt es sich um ein Projekt, ein Projekt planerischer Komplexität gepaart mit besonderer Menschenliebe, Kontaktfreudigkeit und viel Empathie. Insgesamt eine Herausforderung an der ich nur wachsen konnte und so ging ich es auch an. Frei nach dem Motto - einfach mal machen - schaltete ich in Afrika in meinen flexibleren und kontaktfreudigeren Modus um.
Egal wen ich traf, wenn sich die Gelegenheit ergab sprach ich mit jeder Person intensiver und persönlicher. Natürlich waren es meistens kurze Gespräche, wie z.B. dem Verkaufsgespräch von Holzfiguren oder an der Tankstelle. Ich lies mich auf ein aufrichtiges und offenkundiges Interesse an der Person meines Gegenüber ein, die Kamera immer vor der Brust baumelnd. Neigte sich ein Gespräch dem Ende zu, z.B. weil ich ein Holztier gekauft hatte, der Tanks voll war oder ich meine Wegbeschreibung erhalten hatte, fragte ich abschließend immer nach, ob ich etwas für mein Gegenüber tun könnte. Vor der Verabschiedung fragte ich dann höflich nach einem ehrlichen Erinnerungsfoto, später erzählte ich auch meine Projektgeschichte der Faces of "Namibia", "Botswana", "Zambia"...
Die ersten Versuche waren eine echte Herausforderung für mich, nicht nur "fremde" Personen anzusprechen, sondern innerhalb weniger Minuten ein Verhältnis der Vertrautheit zu erzeugen, welches ein Portrait ermöglicht, das auch den Namen verdient. Wie erzeuge ich eine Verbindung, so dass die portraitierte Person bereit ist, mir etwas Wahrhaftes von sich auf dem Portrait zu schenken? Das ist die Herausforderung bis heute geblieben. Manchmal sind wir gemeinsam erfolgreich, manchmal weniger.
Im Laufe der Zeit habe festgestellt, dass es mir gar nicht mehr primär um das Foto geht, sondern vielmehr um die Begegnungen mit Menschen. Dieses Interesse spüren die Menschen und das kann ich positiv auf den Fotos erkennen. Diese Art der Fotografie hat mir einen völlig neuen Blickwinkel ermöglicht. Ich bin in der Lage spontan auf Menschen zuzugehen, unabhängig von Sprache mit Ihnen zu kommunizieren und ein Verhältnis der Vertrautheit aufzubauen. Kurz gesagt, ich sehe den Menschen immer zuerst, er steht für mich vollkommen im Vordergrund. So sind unterschiedlichste Portraits entstanden, die ich mir selbst bis heute mit großer Freude anschaue und an die Geschichten zurückdenke.
Meine Fotografie indigener Völker basiert natürlich auch auf dieser Vorgehensweise, darüber hinaus sind aber weitere Dinge zu beachten, wie z.B. die Vermeidung von Touristenrouten und -zentren, auch wenn es sich nur um ein paar tausend Touristen pro Jahr handelt. Die Menschen vor Ort haben sich daran gewöhnt, ihr Geld mit Touristen zu verdienen, indem sie ihnen ihre Kultur mehr oder weniger anhand eines Theaterstückes vorführen. Die Menschen abzuholen und ihnen zu verdeutlichen, dass ich mich für sie als Menschen und ihre Kultur interessiere, in der Hoffnung, dass daraus ein authentisches Bild entspringt ist eine zusätzliche Herausforderung.
Darüber sind äußere Einflüsse nur bedingt beeinflussbar und dessen sollte man sich unbedingt vorher bewusst sein. Ich versuche organisierte "Living Museums" zu vermeiden, ansonsten bin ich dazu übergegangen, jeder Gelegenheit eine Chance zu geben, insbesondere wenn es sich um lokale Projekte handelt.
Falls möglich versuche ich, Begegnungen immer ohne Gruppe und mit einem lokalen Guide zu organisieren, am besten einem Guide dieses Stammes, um eine gewisse Intimität und Vertrautheit zu schaffen. Weiterhin wäre ich ohne meine Frau oftmals aufgeschmissen. Da wir sie gemeinsam als Paar besuchen, haben die Menschen eine persönlichere Sicht auf uns. Oftmals hat meine Frau einen direkteren und besonderen Draht zu den Frauen des Stammes und auch zurückhaltende und teilweise mürrische Stammesälteste entspannen sich deshalb nach einiger Zeit, wenn sie ihre Frauen entspannt sehen.
Ich hingegen konzentriere mich auf besondere Gastgeschenke, Dinge die ich vorher erfrage und bei denen ich mir sicher bin, dass sie hier von besonderem Wert sind (z.B. Messer oder Leatherman). Ansonsten bin ich natürlich bei den Männern und ihren Themen, ganz klar habe ich ein besonderes Interesse für Kühe, Schafe, das Jagen mit Pfeil und Bogen oder das Feuer machen mit welcher Art von Dung es hier auch seit Generationen gemacht wird und natürlich möchte ich all das unbedingt ausprobieren und bin mir für nichts zu schade. Für mich ist das einfach, denn so bin ich, und nebenbei ein ganz schlechter Schauspieler.
Nach einer gewissen Zeit nehme ich dann die Kamera in die Hand ohne zu Fotografieren oder ich beginne zuerst Fotos mit meiner Instax für die Menschen als Geschenk zu machen. Diese Art ist der beste Eisbrecher bei den Kindern, neben einem Kuscheltier natürlich, Süßigkeiten haben wir in Gänze verworfen.
Auf diese Art und Weise haben wir die San in Botswana und die Himba im Norden Namibias besucht, waren mit ihnen im Busch auf der Suche nach Nahrung und auf (gestellter) Jagd unterwegs und waren Gäste in ihrem traditionellen Kraal. Neben Begegnungen mit der traditionellen Lebensweise haben wir uns auch mit den gesellschaftlichen Veränderungen auseinandergesetzt und z.B. die nun sesshaften Jäger und Sammler der San auf ihrem kleinen Plot besucht, auf dem sie Ackerbau betreiben sollen. Auch wenn diese Begegnungen für mich als außenstehender Betrachter in ihrer Machtlosigkeit herausfordernd sind, so ergeben sich immer positive Momente zum Teilen, wenn man trotz seiner Ohnmacht offenherzig und interessiert bleibt.
Diese Erinnerungen verbinde ich auch mit den Himba, die sich gegen ein traditionelles Leben entschieden haben und in Dörfern leben, mit Arbeitslosigkeit und Alkohol als täglicher Herausforderung. Dennoch gibt es auch hier, so wie überall, beeindruckende Menschen, die sich und anderen Hoffnung geben. Auf meinen zukünftigen Reisen möchte ich noch mehr versuchen, den Menschen an den abgelegeneren Orten zu begegnen, die wir auf den vergangenen Reisen erkundet haben, wo die Zeit aber nicht mehr für einen Besuch ausreichte. Zeit muss man einplanen für diese Art des Reisens, der Begegnungen und der Fotografie.
Spontane Begegnungen sind überall auf der Welt möglich, wenn Ihr wollt und offen seid. Manchmal müsst Ihr eine Gelegenheit verstreichen lassen, weil es anscheinend nicht der passende Moment ist. Dafür ergeben sich häufig andere Möglichkeiten. Auf unserer Sambiareise habe ich nach einer verpassten Möglichkeit spontan in unserer kleinen, Inhaber-geführten Lodge gefragt, ob es eine Dorftour durch das Dorf gibt, aus dem alle Angestellten kommen. Zuerst hat mich das Ehepaar verwundert und fragend angeschaut und zurückhaltend angeboten nachzufragen. Am nächsten Tag saßen wir mit dem Koch in unserem Auto. Er hatte einen seiner Brüder im Dorf angerufen, der dort als Lehrer arbeitet und uns durch sein Dorf führen wollte. Die erste Dorftour in diesem kleinen Dorf an einer der Hauptverkehrsadern, der Great North Road. Wir waren wahrscheinlich die einzigen beiden Mzungos (Weisse europäischer Herkunft) bisher in diesem Dorf. Es war ein besonderer Nachmittag, auch wenn wir mal wieder weit außerhalb unserer Komfortzone waren und es auch nicht nur positive Begegnungen gab. Dennoch ist es im Nachhinein so eine tolle Erfahrung, an die ich bis heute oft zurückdenke - so sind die Faces of Zambia an einem Nachmittag in einem Dorf entstanden, ehrlich und authentisch.
Es ist dieses Interesse, dieser Hunger nach neuen Begegnungen und Geschichten der mich jedes Jahr aufs Neue nach Afrika aufbrechen lässt und das seit über zehn Jahren. Es ist wie ein innerer Lockruf dem ich nicht widerstehen kann, irgendwie habe ich das Gefühl in Afrika mehr ich selbst zu sein.
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